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exkursion Berlin
   

Beklemmende Gefühle im ehemaligen Untersuchungsgefängnis der Stasi

   

 

„Vor Gott sind eigentlich alle Menschen Berliner.“

Exkursion des Sozialkunde-Leistungskurses

 

   

 

Von diesen Worten Theodor Fontanes inspiriert, machte der Sozialkunde-Leistungskurs der IGS Enkenbach-Alsenborn vom 29.08. bis zum 01.09.2008 eine Exkursion nach Berlin.
Die 13 Schülerinnen und Schüler wollten mal weg vom Lehrbuch und vor Ort praktische Politik-Erfahrungen sammeln. Organisiert von ihrem Lehrer Guido Palt und begleitet von der Erdkunde-Lehrerin Frau Chiera ging es dann am Samstag zum „Deutschen Bundestag – Plenarbereich Reichstagsgebäude“, so die offizielle Bezeichnung unseres Parlaments. Das ist nicht gerade kurz, aber dafür sehr genau. Anschließend bekamen wir auf der Besuchertribüne durch Herrn Gonzales bei einem 45-minütigen Vortrag viel Wissenswertes über den Bundestag erklärt. Wir erfuhren viele interessante Details zur Baugeschichte des Gebäudes von der Grundsteinlegung unter Leitung des Frankfurter Architekten Paul Wallots bis zum spektakulären Umbau des englischen Architekten Sir Norman Forster. „Es ist viel verständlicher, wenn man alles vor Augen hat“, fanden wir. Danach „stiegen wir der Demokratie aufs Dach“ und genossen den Blick auf Berlin aus der gläsernen Kuppel. Hinterher waren der Potsdamer Platz, das Brandenburger Tor und der Checkpoint Charlie weitere Stationen.  
Am Sonntagvormittag besuchten wir dann das zentrale Untersuchungsgefängnis des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) in Berlin-Hohenschönhausen. Mike Fröhnel, heute Besucherreferent in der Gedenkstätte, war in den achtziger Jahren im Stasi-Untersuchungsgefängnis inhaftiert, weil er sich die Bevormundung und die Schikanen der SED und der Stasi nicht mehr länger hatte gefallen lassen. Nach einem Film über die Rolle der Stasi in der DDR führte Mike Fröhnel uns durch die Gedenkstätte. Am Eingang zum berüchtigten „U-Boot“ (äußerst spartanisch eingerichtete Zellen im Keller) blieb er stehen und meinte: „Es fällt mir auch nach so vielen Führungen nicht leicht, die Besucher hier runter zu führen.“ Die im „U-Boot“ dokumentierten Methoden zur Erzwingung von Geständnissen während der sowjetischen Besatzungszeit ließen uns das Blut in den Adern gerinnen. Eine enge „Stehzelle“, eine „Wasserzelle“ sowie eine „Tropfanlage“ seihen hier beispielsweise erwähnt. Die Methoden der Stasi in den siebziger und achtziger Jahren waren subtiler, aber nicht weniger grausam. Mike Fröhnel hörte während seiner Inhaftierung Schreie von Häftlingen, die anschließend in eine Zwangsjacke gesteckt und in einer Gummizelle isoliert wurden. Die Stasi setzte vor allem auf eine völlige Desorientierung und auf Erniedrigung. Bewegende Augenblicke erlebten wir dann vor seiner früheren Zelle 120, wo Mike in Einzelhaft gesessen hat. Die Zellenfenster waren mit Glasbausteinen zugemauert, so dass man höchstens Tag und Nacht unterscheiden konnte. Der so genannte Freigang erfolgte in „Tigerkäfigen“, eine kleine Betonzelle unter freiem Himmel, auf deren Mauern die Posten patrouillierten. Trotz aller Tragik sei aber betont, dass es Mike Fröhnel verstand, uns die gesamte Thematik überaus anschaulich und auch unterhaltsam zu schildern, sodass auch viel gelacht wurde. So bemerkten wir gar nicht, dass die ursprünglich auf 90 Minuten angesetzte Führung 180 Minuten dauerte und wir dann Probleme bekamen unseren nächsten Termin zu erreichen.
Sonntagnachmittag hatten wir nämlich noch eine Führung in den Berliner Unterwelten geplant. Am U-Bahnhof Gesundbrunnen besichtigten wir ausgedehnte und geschichtsträchtige Räume. Noch heute ist dort zu spüren, wie unangenehm es gewesen sein muss, in den engen Räumen der Bunkeranlage eingezwängt zu sein – mit dem steten Surren der Lüftungsanlagen und dem Dröhnen der Bomber über den Köpfen. Verwöhnt durch die beiden brillanten Führungen im Reichstag und in der Gedenkstätte Hohenschönhausen fanden wir die letzte Führung aber qualitativ nicht mehr so gut, was an der etwas „steifen“ Vortragsweise lag.
Zu guter Letzt können wir resümieren: „Berlin war und ist eine Reise wert!“ Erfahrungen aus 70 Jahren deutscher Geschichte haben uns auf dem Weg zum Abitur viel gebracht.


Guido Palt